Strafantrag bei Antragsdelikten

Ein Strafverfahren beginnt im Strafrecht regelmäßig durch ein Strafanzeige. Bei einigen Straftaten, den Antragsdelikten, reicht eine Strafanzeige allerdings nicht aus, sondern es ist zusätzlich ein Strafantrag notwendig.

Das Legalitätsprinzip gilt nur für Offizialdelikte, folglich für Straftaten, bei denen eine Strafverfolgung zwingend vorgeschrieben ist. Demgegenüber steht die Strafverfolgung bei den absoluten und relativen Antragsdelikten im Ermessen des Anzeigeerstatters.

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Ein Strafantrag ist das Verlangen einer Person, dass jemand wegen einer bestimmten Straftat strafrechtlich verfolgt wird und zugleich Voraussetzung für dessen Verfolgung.

Absolute Antragsdelikte

Absolute Antragsdelikte können ohne Strafantrag nicht verfolgt werden. Fehlt der Strafantrag stellt dies ein Verfolgungshindernis dar. Die Polizei und Staatsanwaltschaft darf in einem solchen Fall nicht tätig werden und Ermittlungen durchführen.

Absolute Antragsdelikte im Strafgesetzbuch (StGB) sind:

  • Hausfriedensbruch, § 123 StGB
  • Verstoß gegen Weisungen während der Führungsaufsicht, § 145a StGB
  • Beleidigungsdelikte, §§ 185, 186, 187 StGB i.V.m. § 194 StGB
  • Verletzung des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs,
    §§ 201 Abs. 1, Abs. 2, 202, 203, 204 StGB i.V.m. § 205 StGB
  • Haus- und Familiendiebstahl, § 247 StGB
  • Unbefugter Gebrauch eines Fahrzeugs, § 248b StGB
  • Entziehung elektrischer Energie, § 248c Abs. 4 StGB
  • Begünstigung, § 257 StGB
  • Vereiteln der Zwangsvollstreckung, § 288 StGB
  • Pfandkehr, § 289 StGB
  • Fischwilderei, § 293 StGB i.V.m. § 294 StGB
  • Vollrausch, § 323a StGB*
  • Verletzung des Steuergeheimnisses, § 355 StGB

Relative Antragsdelikte

Die relativen Antragsdelikte können ohne Strafantrag nur dann verfolgt werden, wenn ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung dies gebietet, z.B. weil die Strafverfolgung ein gegenwärtiges Anliegen der Allgemeinheit ist.

Relative Antragsdelikte im Strafgesetzbuch (StGB) sind:

  • Sexueller Missbrauch von Jugendlichen, § 182 Abs. 3 StGB
  • Exhibitionistische Handlungen, § 183 StGB
  • Verletzung des höchstpers. Lebensbereichs durch Bildaufnahmen, § 201a StGB
  • Verletzung des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs, §§ 202a, 202b StGB i.V.m. § 205 StGB
  • Körperverletzung, § 223 StGB i.V.m. § 230 StGB
  • Fahrlässige Körperverletzung, § 229 StGB i.V.m. § 230 StGB
  • Entziehung Minderjähriger, § 235 StGB
  • Nachstellung, § 238 Abs. 1 StGB
  • Diebstahl und Unterschlagung geringwertiger Sachen, § 248a StGB
  • Entziehung elektrischer Energie, § 248c Abs. 1, 2 und 3 StGB
  • Bestechlichkeit und Bestechung im gesch. Verkehr, § 299 StGB i.V.m. § 301 StGB
  • Sachbeschädigung, § 303 StGB i.V.m. § 303c StGB
  • Datenveränderung, § 303a StGB i.V.m. § 303c StGB
  • Computersabotage, § 303b StGB i.V.m. § 303c StGB

Besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung

Das „besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung“ ist nicht legaldefiniert und somit ein unbestimmter Rechtsbegriff. Eine Definition hat dieser Begriff bislang weder durch den Gesetzgeber, noch durch die Rechtsprechung erfahren. Lediglich für einzelne Antragsdelikte findet sich eine Definition in den Richtlinien für das Strafverfahren. Ob das besondere öffentliche Interesse der Strafverfolgung bejaht wird, soll allerdings eine konkret-individuell vorzunehmende Ermessensentscheidung sein, die der Staatsanwalt pflichtgemäß ausübt und die gerichtlich nicht überprüfbar ist.

RiStBV Nr. 233: Erhebung der öffentlichen Klage

„Das öffentliche Interesse an der Verfolgung von Körperverletzungen ist vor allem dann zu bejahen, wenn eine rohe Tat, eine erhebliche Mißhandlung oder eine erhebliche Verletzung vorliegt (vgl. Nr. 86 RiStBV).“

RiStBV Nr. 234: Körperverletzung gemäß § 230 Abs. 1 Satz 1 StGB

„Ein besonderes öffentliches Interesse an der Verfolgung von Körperverletzungen wird namentlich dann anzunehmen sein, wenn

  • der Täter einschlägig vorbestraft ist,
  • roh oder
  • besonders leichtfertig oder
  • aus rassistischen, fremdenfeindlichen oder
  • sonstigen menschenverachtenden Beweggründen gehandelt hat, [und]
  • durch die Tat eine erhebliche Verletzung verursacht wurde oder
  • dem Opfer wegen seiner persönlichen Beziehung zum Täter nicht zugemutet werden kann, Strafantrag zu stellen,
  • und die Strafverfolgung ein gegenwärtiges Anliegen der Allgemeiheit ist.

Andererseits kann auch der Umstand beachtlich sein, dass der Verletzte auf Bestrafung keinen Wert legt.“ (Hervorhebungen hier)

RiStBV Nr. 235: Kindesmisshandlung

„Bei einer Kindesmisshandlung ist das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung (§ 230 Abs. 1 Satz 1 StGB) grundsätzlich zu bejahen.“

RiStBV Nr. 242a: Bestechung und Bestechlichkeit (§ 301 Abs. 1 StGB)

„Ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung wegen Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr (§ 299 StGB) wird insbesondere dann anzunehmen sein, wenn

  • der Täter einschlägig (vermögensstrafrechtlich, insb. wirtschaftsstrafrechtlich) vorbestraft ist,
  • der Täter im Zusammenwirken mit Amtsträgern gehandelt hat,
  • mehrere geschäftliche Betriebe betroffen sind,
  • der Betrieb mehrheitlich im Eigentum der öffentlichen Hand steht und öffentliche Aufgaben wahrnimmt,
  • ein erheblicher Schaden droht oder eingetreten ist oder
  • zureichende Anhaltspunkte bestehen, dass ein Antragsberechtigter aus Furcht vor wirtschaftlichen oder beruflichen Nachteilen einen Strafantrag nicht stellt.

Kommt ein besonders schwerer Fall (§ 300 StGB) in Betracht, so kann das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung nur ausnahmsweise verneint werden.“

RiStBV Nr. 86 Abs. 2: Öffentliches Interesse für Privatklagedelikte

Das „besondere öffentliche Interesse“ unterscheidet sich darüber hinaus von dem nur „öffentlichen Interesse“ bei Privatklagedelikten, vgl. § 376 StPO. Dieses ist definiert in Nr. 86 Abs. 2 RiStBV:

„Ein öffentliches Interesse wird in der Regel vorliegen, wenn der Rechtsfrieden über den Lebenskreis des Verletzen hinaus gestört und die Strafverfolgung ein gegenwärtiges Anliegen der Allgemeinheit ist, z.B. wegen des Ausmaßes der Rechtsverletzung, wegen der Rohheit oder Gefährlichkeit der Tat, der rassistischen, fremdenfeindlichen oder sonstigen menschenverachtenden Beweggründe des Täters oder der Stellung des Verletzten im öffentlichen Leben.

Ist der Rechtsfrieden über den Lebenskreis des Verletzten hinaus nicht gestört worden, so kann ein öffentliches Interesse auch dann vorliegen, wenn dem Verletzten wegen seiner persönlichen Beziehung zum Täter nicht zugemutet werden kann, die Privatklage zu erheben, und die Strafverfolgung ein gegenwärtiges Anliegen der Allgemeinheit ist.“

Form sowie Frist für den Strafantrag

Der Strafantrag muss gemäß § 158 Abs. 2 StPO bei einem Gericht oder der Staatsanwaltschaft schriftlich oder zu Protokoll, bei einer anderen Behörde (Polizei) schriftlich angebracht werden. Der Strafantrag kann nicht an Bedingungen geknüpft werden.

Grundsätzlich ist nicht maßgeblich, ob der Antragsberechtigte ausdrücklich das Wort „Strafantrag“ benutzt, solange sich aus seinem Vorbringen zweifelsfrei erkennen lässt, dass er die strafrechtliche Verfolgung einer bestimmten Tat verlangt.

Der Strafantrag muss innerhalb einer Frist von drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit Ablauf des Tages, an dem der Antragsberechtigte von der Tat sowie von der Person des Täters Kenntnis erlangt hat, § 77b StGB.

Antragsberechtigt ist grundsätzlich nur der durch die Tat Verletzte, § 77 StGB.

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* Vollrausch nur sofern die wegen Unzurechnungsfähigkeit nicht bestrafte Rauschtat ein absolutes Antragsdelikt ist.
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